Von: ernst.sperl@aon.at <ernst.sperl@aon.at>
Gesendet: Freitag, 4. Jänner 2019 08:29
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Betreff: wirtschaftsfreundlicheres Naturschutzgesetz! Stellungnahme zu NSchG-Novelle

 

An das Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Verfassungsdienst

 

Betrifft: Oö. Natur- und Landschaftsschutzrechtsnovelle 2019, Begutachtungsentwurf vom 22.11.2018 (Gz. Verf-2012-116503/34-Tu), Stellungnahme

 

 

Transparenz

 

Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei *1).

 

Nach der Regierungsvorlage zur Änderung des Oö. Naturschutzgesetzes ist geplant, Informationen über Naturschutzaktivitäten der Behörden auf einer nur anerkannten Umweltorganisationen zugänglichen elektronischen Plattform bereitzustellen. Umweltorganisationen müssen den Zugang zu diesen Informationen extra beantragen, die Behörde hat die Zugangsberechtigungen ständig zu warten.

Es handelt sich dabei aber um Informationen, die nach Europarecht allen zugänglich sind.

Für die Behörden bedeutet das, an alle interessierten zusätzlich auf Anfrage Einzelauskünfte erteilen zu müssen.

 

Es wäre viel weniger Verwaltungsaufwand, die Informationen generell im Internet abrufbar zu machen. Die Behörde erspart sich die Wartung der Zugangsberechtigungen und auch die Einzelauskünfte.

Auch demokratiepolitisch ist der leichte Zugang zu Umweltaktivitäten der Behörde sinnvoll. Der Vorwurf von Interventionen zu Gunsten der Wirtschaft oder von Untätigkeit der Behörden kann viel leichter entkräftet werden, wenn die Aktivitäten der Naturschutzbehörden allen zugänglich sind.

Die „elektronische Plattform“ mit den Informationen über Naturschutzverfahren ist daher für alle im Internet zugänglich zu machen, nicht nur für anerkannte Umweltorganisationen.

Besorgte Bürger und auch die Umweltverbände sollen das Gefühl haben, dass die Behörden ihren gesetzlichen Auftrag – ihre friedensstiftende und Interessen ausgleichende Funktion - bestmöglich ausführen. Geheimhaltung ist der Keim für Misstrauen, ob nicht doch Einzelne auf Kosten der Natur bevorzugt werden.

 

Die generelle Veröffentlichung von Umweltinformation ist durch § 17 Oö.USchG eingeschränkt. Hinsichtlich Schutzes personenbezogener Daten soll gesetzlich klargestellt werden, dass der Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten als öffentliches Interesse betrachtet wird. Personenbezogene Daten in Dokumenten, die sich im Besitz einer Behörde oder einer öffentlichen Stelle befinden, sollten von dieser Behörde oder Stelle öffentlich gemacht werden können *2).

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sollen bereits vor der Übermittlung an die Behörde vom Geheimnisinhaber als solche gekennzeichnet werden.

 

Zugang zu Gericht

 

Nach der Regierungsvorlage zur Änderung des Oö. Naturschutzgesetzes sollen nur anerkannte Umweltorganisationen Klage gegen rechtwidrige Aktivitäten der Behörden einbringen können.

Nach Ansicht der EU-Kommission müssen aber auch Einzelpersonen klagen können *3).

 

Die Wirtschaft ist vor allem an rascher Rechtssicherheit interessiert. Nimmt man Einzelpersonen diese Klagerechte, sind Klagen bis zum Europäischen Gerichtshof zu erwarten. Wenn dann nach Jahren diesen Einzelpersonen Recht gegeben wird, beginnen die Verfahren wieder von vorne. Diese Einzelpersonen haben dann das Recht, alle Argumente, die sie sonst am Beginn des Verfahrens einbringen hätten müssen, jetzt einzubringen.

 

Gewährt man das Klagerecht von Anfang an allen, müssen sie alle Argumente zu Beginn des Verfahrens einbringen (Präklusion). Die Wirtschaft hat viel früher Rechtssicherheit.

 

Die Politik in Österreich war bisher darauf ausgerichtet, möglichst wenige mitreden zu lassen. Gegen Strategische Umweltprüfungen und in der Folge Umweltverträglichkeitsprüfungen wehrte man sich. Oft ohne Erfolg, zum Beispiel bei der Umfahrung Mattighofen oder der 110-kV-Freileitung im Almtal.

Als Ergebnis stehen nun nutzlose Mastfundamente in der Landschaft. Das ist nicht wirtschaftsfreundlich.

Andere Länder sind beim Zugang zu Gerichten für Umweltbewegte viel großzügiger und haben gute Erfahrungen damit gemacht. Zum Beispiel Portugal, dort kann jeder klagen *4).

Das soll auch das Wirtschaftsland Oberösterreich machen. Der Wirtschaft zuliebe.

 

 

Die §§ 38 (3), 39 und 39b sollen daher lauten

 

§ 38 Form der Anträge

§ 38 (3) soll lauten: Anträge, Pläne oder die gleichwertigen zeichnerischen Darstellungen sind grundsätzlich in elektronischer Form vorzulegen. Werden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (§ 17 Abs. 2 Z 4 und 5 Oö. USchG) geltend gemacht, so ist dies vom Rechteinhaber bei der Informationsübermittlung an die Behörde zu begründen und eine weitere Ausfertigung zu übermitteln, in der die geheim zuhaltenden Ziffern und Worte unleserlich sind.

 

§ 39 Parteistellung und Informationsbereitstellung

Parteistellung in Verfahren zu diesem Landesgesetz haben Einzelpersonen, Vereine und die Oö. Umweltanwaltschaft. Die Landesregierung hat eine elektronische Plattform zur Verfügung zu stellen, die der Bereitstellung verfahrenseinleitender Anträge und von Bescheiden zur Ermöglichung der Ausübung der Beteiligtenrechte und des Beschwerderechts gemäß § 39b dient.

Informationen auf dieser elektronischen Internetplattform müssen zeitlich, räumlich (Bezirk, Gemeinde, Katastralgemeinde) und sachlich (Art der Bewilligung) selektiv abfragbar sein. Mitglieder der Interessierten Öffentlichkeit müssen die Möglichkeit haben, sich über Änderungen auf der elektronischen Internetplattform selektiv (räumlich, sachlich) informieren zu lassen (Newsletter).

 

§ 39a des Entwurfes entfällt

 

§ 39b Beteiligung an Verwaltungsverfahren und Rechtsmittelbefugnis

(1) Bei anzeigepflichtigen und bewilligungspflichtigen Vorhaben ist mit dem verfahrenseinleitenden Antrag der Verwaltungsakt auf der elektronischen Plattform gemäß § 39 bereitzustellen.

(2) Innerhalb von vier Wochen ab dem Tag der gemäß Abs. 1 erfolgten Bereitstellung der Anzeige oder des Antrags können Berechtigte Parteistellung beantragen oder eine begründete Stellungnahme zum Vorhaben abgeben. Werden Informationen gemäß § 38 (3) zweiter Satz geheim gehalten, so läuft die Frist auf Antrag ab der Entscheidung gemäß § 18 Oö. USchG.

(3) Begründete Stellungnahmen sind bei der Entscheidung über Anträge für die im Abs. 1 genannten Vorhaben zu berücksichtigen.

(4) Bescheide gemäß diesem Landesgesetz sind auf der elektronischen Plattform gemäß § 39 bereitzustellen. Mit Ablauf von zwei Wochen ab dem Tag der Bereitstellung gilt der Bescheid als zugestellt.

(5) Wer eine begründete Stellungnahme eingebracht oder Parteistellung hat, kann gegen diese Bescheide Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben.

(6) Beschwerden sind binnen vier Wochen ab der Zustellung (Abs. 4) schriftlich bei der Behörde einzubringen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Europa-Gemeinderat

Ernst Sperl

Fachbeirat, Schwerpunkt Umweltinformation im

| naturschutzbund | Oberösterreich

Achleiten 139

A-4752 Riedau

+43 (0) 699 1047 3167
http://members.aon.at/sperl/sperl.html#Ernst

 

 

*1) Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten

 

*2) Der Erwägungsgrund 154 zur Datenschutz-Grundverordnung EU 2016/679 lautet: Diese Verordnung ermöglicht es, dass bei ihrer Anwendung der Grundsatz des Zugangs der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten berücksichtigt wird. Der Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten kann als öffentliches Interesse betrachtet werden. Personenbezogene Daten in Dokumenten, die sich im Besitz einer Behörde oder einer öffentlichen Stelle befinden, sollten von dieser Behörde oder Stelle öffentlich offengelegt werden können, sofern dies im Unionsrecht oder im Recht der Mitgliedstaaten, denen sie unterliegt, vorgesehen ist. Diese Rechtsvorschriften sollten den Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors mit dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten in Einklang bringen und können daher die notwendige Übereinstimmung mit dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung regeln. ...

 

*3) Randziffer 100 der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 28.4.2017 über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten
https://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXV/EU/14/13/EU_141392/index.shtml und
https://news.wko.at/news/oesterreich/a040901ANLbestINITIATIVE-170516-Aarhus-EKM-DE.PDF

 

*4) AK-Wien Tagungsband 15 Jahre Aarhus-Konvention, Kapitel 5.3.2 Seite 72
https://www.arbeiterkammer.at/infopool/wien/Informationen_zur_Umweltpolitik_192.pdf